Bürgermeisterbrief - SPD und Grüne lenken vom eigentlichen Problem ab

16.01.2024

Wie nachfolgender Stellungnahme zu entnehmen ist, teile ich in keiner Weise die Schlussfolgerungen der SPD- und Grünen-Kreisverbände, wie heute im sh:z nachzulesen war, zu den berechtigten Befürchtungen der Bürgermeister.

Sicherlich haben diese mit einigen Beispielen zugespitzt. Wenn Grüne aber von zusammenhanglosen Beispielen sprechen und sich die SPD über populistische Vergleiche erschüttert zeigt und gleichzeitig Sachlichkeit in der Argumentation fordert, frage ich mich, wo in den Stellungnahmen die eigene Sachlichkeit bleibt.

Wollen die Grünen bezweifeln, dass unsere Straßen von Schlaglöchern übersät sind und nicht repariert werden, weil Geld woanders hinfließt, Züge nicht oder unpünktlich fahren, Deutschland aber gleichzeitig so viel Entwicklungshilfe zahlt wie Frankreich und Großbritannien zusammen, nämlich 32 Mrd. Euro, darunter Radwege in Peru? Dass der Bund sich wegen der Zuständigkeit der Länder beim Katastrophenschutz bei Hilfen für Ostseeflut-Opfer für unzuständig erklärt, im Ahrtal aber geleistet und für Niedersachsen versprochen hat?

Nein. Hier wird versucht, von dem eigentlichen Thema abzulenken. Wenn Bauern, aber auch sehr viele Handwerker und Spediteure, in diesen Tagen demonstrieren, geht es um mehr. Nicht die eine oder andere Maßnahme, die das Fass zum Überlaufen gebracht hat, ist entscheidend, sondern die Masse der Entscheidungen dieser Bundesregierung. Sei es zur Migration, die unsere Kommunen überfordert und Wohnraum zusätzlich knapp macht, zur Schließung von Krankenhäusern oder zum Heizungsgesetz, bei dem die Bürger gezwungen werden, ihre Heizungen auszutauschen und damit ihre Altersvorsorge aufbrauchen müssen, und, und … Diese Dinge sind es, die die Bürgerinnen und Bürger bewegen, die Ampel sie aber ratlos zurücklässt. In diesem Lichte gesehen, haben die Bürgermeister den Finger in die Wunde gelegt. Es hätte SPD und Grünen gut angestanden, dem eigenen Anspruch zu folgen und Lösungen und tragbare Kompromisse zu entwickeln, statt die Meinungen der Bürgermeister als populistisch zu diskreditieren.

Sehr geehrte Bürgermeister,

vielen Dank für Ihr Schreiben, in dem Sie Ihre Solidarität mit den Protesten der Bäuerinnen und Bauern sowie Teilen des Handwerks gegen weitere Belastungen sowie Ihre Unzufriedenheit mit der Vernachlässigung des ländlichen Raums durch die Politik der Bundesregierung dargelegt haben. Hierzu stelle ich fest:

- Die am 4. Januar 2024 bekannt gewordene Einigung der Ampel ist ein fauler Kompromiss: Nach wie vor soll es erhebliche Kürzungen beim Agrardiesel geben. Dies trifft besonders intensiv wirtschaftende Betriebe. Es ist Augenwischerei, diesen – von der Ampel so bezeichneten – „Kompromiss“ (mit den Bauern ausgehandelt?) als große Entlastung für die Landwirte zu verkaufen. Es bleibt bei einer Belastung von etwa einer halben Milliarde Euro für die Betriebe.

- Die Agrardiesel-Rückvergütung ist für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Land- und Forstwirtschaft im europäischen Binnenmarkt auch in den nächsten Jahren unverzichtbar. Es geht hier um die Sicherung unserer Ernährung und den Fortbestand von landwirtschaftlichen Betrieben.

- Hinzu kommt die weitere Verteuerung von Benzin und Diesel sowie von Mobilität im Allgemeinen durch die Anhebung des CO2-Preises – eine Maßnahme, die besonders ländliche Räume trifft.

- Ein von den Landwirten beizubringendes „Sonderopfer“ für die Haushaltskonsolidierung lehne ich im Einklang mit meiner Fraktion ab. Die Haushaltsprobleme werden durch die vorgestellten – und auch durch die modifizierten – Pläne der Ampel nicht gelöst. Um Deutschland voran und den Bundeshaushalt wieder auf Kurs zu bringen, braucht es eine klare Prioritätensetzung auf der Ausgabenseite(!) Unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch: Stichworte Bürgergeld, Kindergrundsicherung und Gebäudeenergiegesetz.

- Wir werden uns deshalb mit großem Nachdruck dafür einsetzen, dass auch diese verbleibenden Steuererhöhungen für die Landwirtschaft nicht kommen werden. Als Partei und Bundestagsfraktion vertreten wir auch in Zukunft die Interessen der ländlichen Räume und der Menschen, die dort leben.

- Die Ampel-Koalition betreibt mit ihren Kürzungsvorschlägen, wie in Ihrem Schreiben zurecht kritisch hervorgehoben, eine klare Politik gegen den ländlichen Raum. Deren Antworten auf die Haushaltskrise gehen überproportional zu Lasten der Menschen, die außerhalb der urbanen Zentren leben und arbeiten. Die Kommunen brauchen dringend mehr Mittel zur Bewältigung der Flüchtlingskrise. Mit dem Haushaltsentwurf hemmt die Bundesregierung jedoch die Integrationsbemühungen der Kommunen. Zudem gefährdet die Bundesregierung die Zielstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse: Die Mittel der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK) und die Mittel der Städtebauförderung sollen gekürzt werden, ebenso Mittel zur telemedizinischen Versorgung und zur Kulturförderung. All das geht in erster Linie zulasten der Kommunen in dünner besiedelten ländlichen Räumen.

- Trotz der Jahrhundertflut hat der Bund den Unterstützungsersuchen eine Absage erteilt, obwohl von Regierungsseite Hilfen in Aussicht gestellt worden waren. Die CDU-Landesgruppe SH hat dagegen einen Antrag an den Bundestag vorgelegt unter dem Titel „Katastrophenschutz reformieren und Küstenschutzmittel erhöhen.“ (Vgl. hier)

In diesem Antrag haben wir den Bund außerdem aufgefordert, eine Wiederaufbauhilfe wie beim Ahrtal ins Leben zu rufen und die Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe (GAK) Küstenschutz deutlich zu erhöhen. Auch wenn der Bund jetzt vor schwierigen Haushaltsfragen steht, geht es hier um Existenzen und den künftigen Schutz von Menschenleben

- Auch die im Bundeshaushaltsentwurf 2024 werden unsere Kommunen im ländlichen Raum zusätzlich belastet. Die von der Ampel angestrebten und von Ihnen zurecht kritisierten Kürzungen im Bereich Radwegebau oder der Bahninfrastruktur sind für den ländlichen Raum nicht akzeptabel, die Mittel nicht verzichtbar. Gleiches gilt für die Kürzungen bei Unterstützung der Kommunen bei der kommunalen Wärmeplanung, die kommunalen Ämtern unnötige Mehrlasten aufbürdet. Nebenbei stehe ich mit der Konzernbeauftragten der DB, Ute Plambeck, in regelmäßigem Kontakt, um Verbesserungen z.B. der Bahnanbindungen in Angeln oder im Zusammenhang mit dem Neubau der Brücke Lindaunis zu erreichen.

Eine kritische Anmerkung zum Schluss. Das Thema Diäten wird immer wieder von Selbstbedienungsvorwürfen oder Willkürvorwürfen begleitet. Seit zehn Jahren wird die Vergütung jedoch an den Nominallohnindex gekoppelt. Als Ausgangsgröße dient die Besoldung eines Richters an einem obersten Gerichtshof des Bundes (Besoldungsgruppe R 6 mit der Zulage für Richter und Staatsanwälte bei obersten Gerichtshöfen des Bundes ohne Familienzuschlag).

Zusammenfassend lässt sich sagen: Die aktuellen Demonstrationen gegen die Ampel-Pläne sind eine verständliche Reaktion auf immer neue Belastungen in der Landwirtschaft. Das Fass ist übergelaufen – übergelaufen nicht nur bei Landwirten sondern bei knapp 70 Prozent der befragten Bevölkerung – was nicht zuletzt auch Ihr Schreiben beweist – gegen eine Politik der Ampel, die nur halbgare Lösungen präsentiert, dafür aber immer Verunsicherung schafft und Ratlosigkeit hinterlässt.

Als Oppositionspolitikerin kann ich Ihnen leider keine Versprechungen machen, dass ich direkt etwas ändern könnte. Ich verspreche Ihnen aber, dass meine Abgeordneten-Kollegen aus der CDU-Landesgruppe und dass wir als Bundestagsfraktion mit unseren parlamentarischen Mitteln Schwachstellen der Regierung aufdecken und uns für die Interessen des ländlichen Raums kämpfen werden.

Mit freundlichen Grüßen
Petra Nicolaisen

Petra Nicolaisen, MdB
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